Wenn etwas nicht stimmt - Die Psychologie Angst

Wenn etwas nicht stimmt - Die Psychologie Angst

Geht es um die Seele, so fällt uns eine nebulöse Undeutlichkeit ein. Es ist unerklärlich, unfassbar und verworren… irgendwie unheimlich.

Denken wir an rätselhafte psychische Funktionen, so ist der Gedanke an Sigmund Freud mit seiner düsteren Couch, diffusem Licht und sexueller Gefahr in der Luft nicht weit. 

Denken wir an Entzündungserkrankungen im Körper, so denken wir an die Blutabnahme beim Arzt, an Analyseverfahren im Labor und an einen ausgedruckten Befund. Es ist nicht unheimlich, sondern klar, einsichtig und verstehbar.

 

Die Seele hat keinen guten Ruf.

In der griechischen Philosophie herrschte die Ansicht, dass man nur mit dem Verstand den „Dämon der Gefühle“ bezwingen könne. Bis heute wird die Ratio, damit meine ich den bewussten Verstand, angebetet - als handle es sich um den heiligen Gral. 

Ende der 1990er Jahre konzentrierte sich der Neurologe Antonio R. Damasio als Erster auf die Messbarkeit von Emotionen und entdeckte, dass diese weit vor dem bewussten Verstand Situationen erkannten. Eines seiner Experimente: Unter drei Kartenstapeln war einer „gefährlich“. Da hat man bei der Versuchsanordnung immer verloren. An der Messung der Stressaktivierung im Hautwiderstand konnte er jedoch zeigen, dass das Emotionsgedächtnis weit vor dem bewussten Verstand die „Gefahr“ erkannte.  

Emotionen sind elektrische und chemische Reaktionen auf Reize, die in einem Bewertungscheck im Gehirn ein Gefühl entstehen lassen, das schlussendlich im Verstand zu einem Gedanken wird. Ohne das Emotions- und Körpergedächtnis wären wir sehr undifferenzierte, unentwickelte Wesen. 


Dabei sind psychische Funktionen auch ganz klar verstehbar.

Gesunde Gefühle und Handlungen brauchen die richtige Chemie im Körper, damit sie entstehen können. Glücksbringende Momente werden nur dann als Glück erlebt, wenn Glückshormone da sind, die diese glücksbringenden Ereignisse erlebbar machen. Sie sind wie kleine Transporter, die Glück in unsere Zellen bringen. Unser Glückssystem - in der Psychologie Motivationssystem genannt - sorgt genetisch dafür, dass die Botenstoffe, die unser Leben steuern, richtig eingestellt werden können. Die Natur hat es dabei so eingerichtet, dass Beziehungen zu anderen von Emotionen begleitet sind, die hormonelle Sollwerte im Körper einstellen können. Wenn wir jemandem vertrauen, wird Oxytocin in beide Körper geschüttet. Erzählen wir jemandem eine grausliche Geschichte, lösen wir im eigenen Körper und im Körper des Zuhörenden Stress aus. 

Wie wir am Beispiel der Einfühlsamkeit (Blog vom 20.2.2024) gesehen haben, beginnen wir noch ungeboren mit der Einstellung der Botenstoffe und zwar mit Hilfe der Hormone, die sich im Blut der Mutter befinden. 

In den ersten sechs Lebensjahren stellen wir die Sollwerte der vier Glücks (Motivations-) hormone mit individueller Schwankungsbreite ein. Es sind dies das Oxytocin oder das acetylcholinerge System, das serotonerge System, das dopaminerge System und das Noradrenalin oder epinephrinerge System. Wir können aber die Einstellung unserer Glückshormone im Laufe unseres Lebens immer wieder nachjustieren. 

 

Das Oxytocin

Es ist von Bedeutung für unsere Sicherheit, dass wir uns bei der Mutter sofort nach der Geburt wiederfinden. Das hinterlässt einen sicheren Fußabdruck im Gehirn bei der Bewältigung neuer Erlebnisse. Neues aktiviert immer Angst, ein ganzes Leben lang. Wir müssen alles kennen lernen, damit wir Sicherheit erlangen. Die Natur hat uns mit Angst ausgestattet, damit wir uns täglich ausreichend um Sicherheit kümmern. 

Die Grundeinstellung der Glückshormone gleich nach dem Ankommen auf dieser Welt.

Als Neugeborenes schreie ich in die Luft, die Mutter deckt mich zu und ich fühle mich wohl, dann weiß ich: „Mir war kalt.“. Ich schreie wieder in die Luft, der Vater kommt, hebt mich auf und ich fühle mich wohl, dann weiß ich: „Ich brauche eine Lageveränderung.“. Ich schreie in die Luft, die Mutter kommt, stillt mich und ich fühle mich wohl, dann weiß ich: „Ich hatte Hunger.“. So geht es die ersten 6 Wochen dahin und irgendwann einmal lächle ich hinaus und erkenne: “Aha, du bist die Person, die mir da gut tut!“ und die Einfühlsamkeit ist geboren. 

Bekomme ich aber viele unpassende Antworten, wie zum Beispiel: Es ist kalt und ich werde anstatt zugedeckt zu werden gestillt, dann fühle ich mich nach der Mahlzeit nicht wohl und kann auch nicht erfahren, dass mir kalt war. 

Hatte ich keine „ausreichend“ gute Versorgung, kann kein Bewusstsein für eigene Bedürfnisse entstehen und damit auch wenig Einfühlsamkeit. Wenn ich mich selbst nicht spüren kann, kann ich auch andere nicht spüren. 

Man kann Einfühlsamkeit messen, indem man zum Beispiel die bewusste subjektive Einschätzung der erlebten Emotion durch Erhebung mit Fragebögen erfasst, indem man mit ultraschnellen Kameras die Pupillentätigkeit dokumentiert. Oder indem man auf der neuro-vegetativen Ebene die elektrischen Aktivitätsmuster misst, indem man den Hautwiderstand misst, oder auch die Aktivierung des Lach- oder Kummermuskels oder im Labor die Ausschüttung von Oxytocin erhebt. 

So konnte man feststellen, dass Mütter, die keine ausreichend gute Bindung in ihrer Kindheit erlebt hatten, glaubten, dass sie negative Emotionen ihrer Neugeborenen mit positiver Zuwendung und Trost beantworten. Im Gehirn aber zeigten sich aggressive Impulse, wenn das Neugeborene weinte oder sie vielleicht Schwierigkeiten mit dem Stillen hatte.  Es wurde automatisch das Gefühl in der Mutter aktiviert, dass sie schon wieder nicht ausreicht, dass sie wieder nicht passt. Aus dieser Frustration heraus agiert sie aversiv und ablehnend dem Kind gegenüber, ohne, dass sie es bemerkt. Und so ist die nächste Generation unsicher gebundener Mütter geboren. 

Mütter, die unsichere Bindungserfahrungen in sich tragen, konnten tatsächlich auch signifikant weniger die Bedürfnisse ihrer Kinder erkennen. Dies ist anders als bei Müttern, die innerhalb der ersten paar Lebensmonate eine sichere Bindung aufbauen konnten. Bei Müttern, die in ihrer frühen Kindheit eine sichere Bindung aufbauen konnten, zeigte sich, dass sie häufiger ihre Kinder erkennen.

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